Filmanalyse
Die Filme "Solaris" und "Antichrist" und die Art ihrer Begegnung mit dem Realen
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Dariush Baradari Psychologe/ Gestalttherapeut


Die psychologische Bedeutung des Unbekannten und des Fremden

Das Unbekannte, Das Fremde Verkörpert das verlorene Objekt, das Objekt klein a. Deswegen ist das Unbekannte begehrenswert und es macht uns neugierig. Das Fremde kann aber auch auf imaginäre Weise auf uns wirken und uns zur narzisstischen Imitation, zum narzisstischen Zorn und zur Ablehnung verführen. Das Fremde erscheint uns zuletzt wie ein bedrohliches, reales Objekt, als „Ding“ und es ruft bei uns Gefühle wie Panik und Schrecken hervor. In solchem Moment haben wir das Gefühlt, dass das Fremde bedrohlich und unfassbar ist und unsere Lebensweise, unsere fundamentale Wahrheiten und Sicherheiten in Frage stellt, Schreck und Chaos verbreitet. (Zum Beispiel die Angst vor dem unbegreiflichen Terroristen oder die blinde, reale Rache von Bin Laden an den bedrohlichen "realen" Westen)

Für unsere Analyse müssen wir uns nun auf die zwei wichtigsten Aspekte des Fremden, d. h. auf die begehrenswerten und bedrohlichen Aspekte des Fremden konzentrieren.

Das Begehrenswerte und Das Bedrohliche sind die zwei Seiten unseres Begehrens und des Objekts klein a. Die Kehrseite unseres Begehrens ist die dunkle, reale Dimension der jouissance und der Gewalt. Eine interessante Frage ist, wieso im Kino besonders die fremden Planeten oder die Außerirdischen, die Naturkatastrophen als Symbol der bedrohlichen, realen Dimension des Fremden und des Objekts klein a fungieren. Oder wieso fungieren oft im Kino der Tod einer geliebten Person oder ein traumatisches Erlebnis als Verkörperung des realen Dings, als der Platz der Begegnung mit der realen, dunklen Seite unseres Begehrens und wieso diese Begegnung oft zum Chaos, zur Rache oder zur Selbstzerstörung führt.

Die wichtigste Antwort auf diese Frage befindet sich in der paradoxen Lage des menschlichen Begehrens und der zwei Aspekte von Objekt klein a, das unser Begehren verursacht. Wenn wir etwas begehren, wollen wir immer wissen, ob der Andere uns auch begehrt und warum und wie er uns begehrt. Das Objekt der Begierde ist immer auch selbst ein begehrendes Subjekt, das unser Begehren konstruiert. Wenn wir etwas begehren und zum Beispiel jemanden lieben oder hassen, wollen wir uns mit ihm unterhalten und das Wesen unserer Begierde erforschen. Aber wenn wir mit dem Tod, Trauma, mit dem fremden Planeten konfrontiert sind, können wir erst nicht kommunizieren. Wir treffen auf eine Leere, auf ein Loch in unserer symbolischen Welt, das nicht zu schließen ist, sondern dieses Loch durch die eigene Angst und Panik immer größer wird und schließlich unser ganzes Dasein und unsere ganze Sicherheiten bedroht und in sich saugt.

Dieses Loch im Symbolischen gehört in Wahrheit zum Wesen des Objekts klein a, weil das Objekt a immer einen Überrest vom Realen in sicht trägt und deswegen sein Platz nie ganz zu besetzen ist, wie es im ersten Teil dieser Analyse erklärt wurde. Das Loch im symbolischen Leben, im Anderen bewirkt, dass die menschliche Kommunikation immer eine unvollendete, oft selbsttrügerische Kommunikation bleibt oder es sorgt dafür, dass unsere Wahrheit immer einer Verkennung entspringt, wie Lacan sagt. (1)

Die Beziehung zwischen Menschen und seiner Umwelt, zwischen Subjekt und dem Anderen ist nicht eine auf der Subjekt-Objekt basierten Beziehung, sondern diese Beziehung ist eine dialektische, diskursive Beziehung mit Wechselwirkungen der Aspekte. Daher werden wir durch unser Begehren konstruiert, weil es immer Begehren des Anderen ist. Daher werden wir zurückgeblickt, wenn wir ein Objekt ansehen, und dieser Blick konstruiert unser Begehren und unsere subjektive Welt (2), weil dieser Blick, der Blick von Objekt klein a ist.


In den Filmen „Solaris“ und „Antichrist“ begegnen wir dem Unbekannten, dem Tod und der „Wüste des Realen“ in verschiedenen Formen, in der Form des traumatischen Verlustes der geliebten Frau in „Solaris“, oder des Sohnes in „Antichrist“. Genauso treffen wir in beiden Filmen auf das reale Fremde, auf die Wüste des Realen in der Gestalt des fremden Planeten „Solaris“ und in der Gestalt der beängstigenden, feindseligen Natur in „Antichrist“.

Aber der Regisseur Sonderbergh von „Solaris“ und Lars von Trier von „Antichrist“ lassen nicht zu, dass in ihren Filmen die Begegnung mit dem Ding, mit der dunklen, realen Seite unseres Begehrens einseitig dargestellt wird, sondern sie machen das reale Ding, die Begegnung mit dem Realen auch zur einen Begegnung mit unserem Begehren , mit dem Objekt klein a.

Daher ist diese Dunkelheit sowohl real und beinhaltet ein unfassbares Chaos, das unsere Welt und Begehren regiert, wie der Fuchs im „Antichrist“ zum Mann sagt, und sie ist auch unheimlich, weil sie unsere unbewusste Wünsche, unser Begehren verkörpert. Sie verkörpert die beiden Seiten unseres Begehrens und des Objekts klein a. Daher führt die Begegnung mit dem Unbekannten auch zur Begegnung mit unbewussten Begierden im Film „Solaris“ oder zur unbewussten Krisen und zum unbewußten Begehren im Film „Antichrist“.

Vier menschliche Formen des Kontaktes mit dem „ Ding“

Man kann Vier verschiedene Arten der menschlichen Beziehungen zum „ absoluten, realen Objekt“, zum „ Ding“ voneinander unterscheiden, wobei man nicht vergessen darf, dass diese Grenzen fließend sind und sich auch miteinander kombinieren lassen.

Die erste Art des Kontaktes zum „Ding“ ist die Art des Neurotikers.
Ein Neurotiker ist vor allem in der Jouissance (Geniessen) des realen Objekts, in den Fängen des absoluten Objekts gefangen. Wie ein Drogenabhängig, die immer wieder mit einem neuen Schuss versucht, mit der imaginär-realen, absoluten Mutter, mit dem verlorenen Objekt eins zu werden und da dies unmöglich ist, wird er in der Widerholung seines Versuches sich dem Tode näher bringen, sich zuletzt den „goldenen Schuss“ geben, weil die jouissance in seiner Wiederholung zum Todestrieb führt. Bei den anderen neurotischen Krankheiten, wie bei der Melancholie und Depression, wird das verlorene Objekt so libidinös besetzt, dass sein Schatten das Subjekt oder das Ich überschattet und der Objektverlust sich in einen Ich-Verlust verwandelt. (3). Das Ich kann nicht zu sich zurückerlangen und mit der Trauerarbeit abschließen. Oder wenn wir in Begriffen von Lacan denken und die „Ichpsychologie“ hinter uns lassen, dann sehen wir, dass das gespaltene Subjekt von diesem absoluten Objekt und von der jouissance der Depression und Melancholie nicht loskommen kann und unter einem Phantasma der Erlösung und Wiedervereinigung mit dem Objekt klein a, mit der Mutter leidet. Am Ende versucht der Depressive durch den Selbstmord die Wiedervereinigung mit dem verloren Objekt, mit Objekt klein a zu erreichen.

Die zweite Art ist die Art des Verbrechers, der sich zum Objekt-Instrument des absoluten Dings macht. Im Falle der Perversion macht sicht der Perverse zum Objekt-Instrument des genießenden, realen Vaters, weshalb Lacan gerne statt Perversion „Pereversion“ schreibt, also, “Version des Vaters“. (4)

Die dritte und vierte Art des Kontaktes mit dem Ding, sind die Methoden der Wissenschaft und der Kunst. Wie Zizek in seinem Buch „ körperlose Organe“ beschreibt, beziehen sich Kunst und Wissenschaft völlig unterschiedlich auf das Ding. Die Kunst evoziert es, erhebt das Ding zur Dimension der Schönheit, während die Wissenschaf nichts davon wissen will und daher das Ding durch die Wissenschaft in seiner erschreckenden Form zurückkehrt, als „Atombombe“. Die Wissenschaft will die pathologische Realität ausschließen, während die Kunst genau diesen pathologischen Rest zur Würde des Dings erhebt. Kunst macht das Ding zum schönen, erhabenen Ding, das in sich die Paradoxie des menschlichen Lebens trägt. (5)

Nur können wir uns auf der Basis dieser Grundlage den Filmen widmen und sehen, wie sie mit dem Ding, mit dem traumatischen Unbekannten, mit der dunklen Seite eigenes Begehrens umgehen.

Darbietung des Realen im Solaris

Solaris“ beginnt mit einer melancholischen Stimmung und Intensität. Wir sehen einen Mann Namens Chris, der traurig auf seinem Bett sitzt und die Stimme ihrer verlorenen Liebe Rehya ihm zuflüstert und ihn fragt, ob er sie liebt. Der Film Solaris ist von Anfang an die Suche nach dem verlorenen Objekt (Objekt klein a), die hier als Stimme der verlorenen Liebe erscheint. Chris leidet unter Schuldgefühlen und er hat Sehsucht nach Erlösung und Wiedervereinigung mit der verlorenen Liebe und der Film Solaris inszeniert auf seine Art diese Suche nach Erlösung. Wenn Früher Propheten in die Wüste gingen, um die Erlösung und die Begegnung mit dem verlorenen Objekt zu suchen, findet nun diese Suche in der modernen Zeit durch die Reise zum fremden, eigenartigen Planeten Solaris.

Genauso wie die Wüste die Grenze der Zivilisation bedeutet und oft wie ein reales, gefährliches Objekt, wie ein Meer des Nichts auf die Menschen wirkt, erscheint auch der Planet Solaris, mit seiner eigenartigen Wirkung und durch Wiederbelebung des Verdrängten, den Teammitgliedern, als ein reales , gefährliches Objekt .

Der fremde Planet, der ein ökonomisches Objekt sein sollte, verwandelt sich zum begehrenden, übermächtigen, gefährlichen Subjekt. Die Teammitglieder begegnen durch Solaris, durch die Wiederkehr des Verdrängten in neuen, lebendigen Gestalten, die für alle sichtbar sind, mit der unfassbaren, traumatischen, realen Seite ihres Begehrens. Sie können weder diese Kraft verstehen, noch können sie mit dem Planeten kommonuzieren. Daher reagieren sie mit Angst, Panik, Depression, oder versuchen sie den Planten zu überwinden und wieder die Überhand zu gewinnen.

In Wahrheit begegnen sie durch den Planeten und durch die Wiederkehr des verdrängten mit der Doppelseite ihres Begehrens, aber weil die Mehrheit von ihnen, diese Gestalten nicht als ihr eigenes Begehren und als Begehren des fremden Planeten akzeptieren wollen, daher erscheint ihnen Solaris nur als das reale, feindselige Ding.

Der Chef der Gruppe, Gibarian, begeht Selbstmord, weil er das unfassbare Chaos, das durch den Planeten in seinem Leben entstanden ist und die Erscheinung des Verdrängten Sohnes nicht aushalten kann. Wie er sagt, Menschen suchen nicht nach neuen Welten, sondern nach Abbildern, und nun ist er einer neuen Welt begegnest, die seine Welt und ihre Wahrheiten bedeutungslos macht und ihre Kraft unfassbar ist. Somit verhält sich der Chef wie ein Neurotiker im Kontakt mit dem Ding und mit dem Realen. Durch den Solaris und durch die Wiederkehr des verdrängten wird ihm das tiefe, große Loch in seiner symbolischen, menschlichen Welt, in dem Anderen, in seinem Diskurs bewusst und er will unbewusst durch seinen Tod in Wahrheit das Loch im Anderen schließen und wieder eins mit dem verlorenen Objekt werden. Er will durch den Tod zur Sicherheit seiner Welt und zum Gefühl der Ähnlichkeit der Welten zurückkehren, die sein Begehren ihm vorgaukelt und vortäuscht, damit er Begehren kann.

Der Techniker, Snow tötet das Phantasm, das ihm als Abbild seines verdrängten Zwillingsbruders erscheint. Am Ende des Films erfahren wir, dass in Wahrheit das Abbild das Original getötet hatte und seinen Platz genommen hat. Analytisch bedeutet, dass das Ding, die dunkle Seite ihres Begehrens die Person vollkommen erobert und ihn zu seinem Objekt-Instrument gemacht hat.

Die Wissenschaftlerin der Gruppe, Dr. Gordon, verkörpert die Methode der Wissenschaft im Bezug auf das Reale, auf das Ding. Sie will auf keinen Fall die Wiederkehr des Verdrängten akzeptieren und will dafür sorgen, dass alle Gespenster tot sind, bevor sie auf die Erde zurückfliegen. Sie will die Herrschaft des Planeten über die Station berechen und gewinnen.

Der Film Solaris begibt sich in seiner Darstellung, Kameraführung und mit seinem finalen Ende auf eine künstlerische Begegnung mit dem Realen. Er erhebt das Reale, das Ding zum schönen, ästhetischen Objekt, zur Objekt der Begierde; oder wie der Regisseur sagt, er findet eine poetische Lösung.

Meiner Meinung nach erreicht der Film Solaris aber mehr als eine poetische Lösung. Er erschafft eine neue Begegnung mit dem Realen und mit dem Ding und zeigt uns, wie das Reale und das Begehren wie die zwei Seiten eines Möbiusbandes sind, die ständig ineinander übergehen können und neue symbolische Welten erschaffen können. Diese kreative Lösung oder diese symbolische Antwort können wir durch die gemeinsame Metamorphose von Chris, Rheya und Solaris wahrnehmen, die wir nun näher betrachten:


Wir haben eine Dreieckbeziehung mit den drei Figuren: Rheya, Chris, Solaris vor uns. Der Film Solaris zeigt uns in der Dramaturgie dieser Dreieckbeziehung und in der gemeinsamen, reziproke Metamorphose, bewusst oder unbewusst das Wesen der Begierde und ihre zwei Seiten.

_ Die Gestalt Rheya ist sowohl das Abbild der verdrängten Liebe von Chris und als auch verkörpert sie das Begehren von Solaris nach den Anderen und nach Kontakt mit dem Anderen.

Wenn man einer ganz fremden, und in ihrem Wesen gegensätzlichen Kultur begegnet, begegnet man durch sie auch mit den eigenen verdrängten Begierden, die jetzt durch die neue Kultur eine Möglichkeit finden, sich von Zensur zu befreien und sich auszudrücken. Der Ausdruck bleibt aber zuerst eine labile, krisenhafte Ausdruckweise, weil er noch im alten Diskurs steckt und er Zeit braucht, um durch die Begegnung mit neuer Kultur, mit den Anderen, eine neue, integrative, symbolische Form zu entwickeln.

Daher befinden sich zuerst auch alle drei beteiligten Parteien in einer Art imaginäre, spiegelartige Beziehung zueinander. Diese imaginäre Beziehung kann man deutlich bei der ersten Begegnung von Rheya und Chris beobachten, und weil die Rehya gleichzeitig ein Bote des Solaris ist, kann man das Gleiche auf Solaris erschließen.

Rheya ist im ersten Kontakt eine imaginäre Wiederkehr von der alten Rehya. Chris reagiert auch auf sie imaginär. Erst begibt er sich in die imaginäre Wiedervereinigung mit ihm und dann verjagt er sie aus der Station und verurteilt sie dadurch zum Tode.

- Durch die weiteren Begegnungen der beiden entsteht eine Metamorphose aller drei Beteiligten. Rheya entfernt sich von dem imaginären Abbild von Rehya und begibt sich immer mehr in den Zustand eines gespaltenen Subjekts. (Subjekt-Begehren- Das Gesetzt stehen in einer reziproken Beziehung. Deshalb sind auch alle drei gespalten.)

Das gespaltene Subjekt hat zwei Seiten. Es ist sowohl „Subjekt der Aussage“ und als auch „Subjekt des Aussagens“(6). Das imaginäre Ich glaubt an eine Einheit seines Wesens, aber das Subjekt begreift immer mehr sein gespaltenes Wesen und die Gespaltenheit seiner Begierde, weil es sich immer fragen muss:was ist eigentlich meine Begierde.

Die neue Rehya (Subjekt der Aussage) setzt sich immer mehr mit der alten, diskursiven Rehya (Subjekt des Aussagens) auseinander und merkt die Differenz zwischen sich und der anderen Rehya. Gleichzeitig haben sie beide ähnliche Gefühle für Chris. Dieser Zustand ist unerträglich und führt immer wieder zum Selbstmord. Der Selbstmord ist wiederum eine Reinszenierung des Urdramas im Leben von Rheya und Chris und in der alten Beziehung. (Siehe hierfür den letzten Abschnitt der Rezension von Hans-Peter Jäck)

In der Wiederholung des Selbstmordes und des Beziehungsdramas hören wir auch den Ruf des Unbewussten. Das Unbewusste ist nicht nur wie eine Sprache strukturiert, sondern das Unbewusste ist auch „der Diskurs des Anderen“, wie Lacan beschreibt (7). Die Wiederholung der Urszene kann dann aufhören, wenn die beiden Liebenden sich eigener und gemeinsamer Trauer hingeben, die symbolische Schuld auf sich nehmen und somit eigene Metamorphose und eine Veränderung der Beziehung bewirken. Genauso kann die schreckliche Spaltung zwischen den zwei Seiten des Subjektes ( Rehya/ Rehya, Chris/Chris) erst dann zu einer neuen „Vielfalt in Einheit“ übergehen, wenn das gespaltene Subjekt sein Schicksal akzeptiert und mit dem Anderen, mit seiner Identität Kontakt aufnimmt und eine neue symbolische, individuelle Interpretation daraus entwickelt und somit seine differente, symbolische, immer unvollständige Welt und Liebe entwickelt. Sonst wird der reale Widerholungszwang der Krise weitergehen.

Die beiden Protagonisten erreichen diese Metamorphose Schritt für Schritt durch die Krise und durch das Akzeptieren des Gesetzes und der Kastration. Sie akzeptieren erst, dass die alte Liebe nicht zurückkehren kann und dass sie anders sind als die früheren Rheya und Chris. Dann gehen sie aus Liebe zueinander ein Stück weiter und ins Jenseits der Kastration und sie erreichen die Erlösung in einer neuen Realität. Sie erreichen diese Metamorphose dadurch, dass sie sowohl die Vergangenheit akzeptierten und als auch sich ihren neuen Entwicklungen und Unterschieden bewusst werden. Die neue Liebe trägt und integriert die alte Leibe in seiner neuen, symbolischen Beziehung, weshalb alles neu und auch vertraut in der Schlussszene ist.

Gleichzeitig unterzieht sich der Planet Solaris auch einer Metamorphose. Je die Beziehung zwischen Rheya und Chris weitergeht, ändern sich auch die Lichtschattierungen des Planeten und entwickeln sich neue Nervenähnliche Bahnen auf der Oberfläche des Planeten. Somit entwickelt sich der Planet von einem realen Ding im Laufe des Films zu einem Begehrenden Subjekt. Deswegen verkörpert Solaris die beiden Seiten unseres Begehrens, das sowohl Leben und auch Tod und Chaos bedeutet.

In der Schlussszene des Films sehen wir dann zwei Umarmungen aus Begehren und aus Liebe, einmal zwischen Chris und Rheya und das zweite Mal zwischen dem leuchtenden Planeten und der Station Solaris.

Diese finale Szene ist in Wahrheit mehr als eine Verschönerung und künstlerische Sublimierung des Realen und des Dings. Das Reale verkörpert hier nicht nur die anderen Seite des Begehrens und die Grenze unserer symbolischen Welt, sondern es ist auch der Zugang zu einer neuen Realität und zu einer neuen Begegnung mit dem Begehren. Somit gelingt dem Film Solaris eine Realität jenseits der Kastration zu kreieren. Er entscheidet sich für das Begehren und Findet durch Durchqueren der realen Grenze seiner symbolischen Welt zu einer neuen symbolischen Antwort und Realität.

So gesehen ist der Film Solaris eine Subversion des Begriffs des Realen von Lacan und macht das Reale zu einer Dimension der möglichen/unmöglichen Realitäten, zu einer Dimension der „Realität des Virtuellen“. Damit verwandelt der Film Solaris, das Reale von Lacan in das Reale von Deleuze, weil für Deleuze das Reale in Wahrheit „ eine Realität des Virtuellen“ ist. Eine Realität, die gerade dabei ist, aktualisiert zu werden und eine neue Intensität, einen neuen Körper und eine neue Realität zu erschaffen(8). Oder man kann die beiden Begriffe zueinander Näher bringen, indem man den realen Lacan (Lacan Jenseits von Kastration) und den symbolischen Deleuze miteinander begegnen lässt. Ein Versuch, der Zizek in seinem Buch „körperlose Organe“ unternimmt, aber das ist ein anderes Thema und benötigt eine andere Abhandlung.

Die Begegnung mit dem Realen im Film „ Antichrist“

Der Film „Antichrist“ besteht formal aus zwei Teilen. Der erste Teil umfängt den Anfang und das Ende, der als Prolog und Epilog fungieren. Der Zweite Teil besteht aus vier Teilen mit den Titeln „ Trauer, Schmerz, Zweifel, drei Bettler“. Um diese formale Aufteilung und Inszenierung besser zu verstehen, müssen wir erst die Erzählung und ihre Dramaturgie in vier Stufen beschreiben und begreifen:

Stufe 1:

Der kleine Sohn des Ehepaars springt aus dem Fenster in den Tod, während die Eltern sich im Haus und auch vor seinen Augen lieben und miteinander schlafen. Sein Tod verursacht eine tiefe Trauer und Depression bei den beiden, aber jeder geht anders damit um. Die Frau erkrankt sich an einer tiefen Depression mit Selbstmordgedanken und autoaggressivem Verhalten. Sie ist in der Behandlung und nimmt Medikamente, dennoch nimmt ihre Depression zu. Der Mann, der selbst Psychologe ist, nach einer anfänglichen Trauer um den verlorenen Sohn, unterdrückt seine Trauer und versucht vernünftig mit dem Tod seines Sohnes, mit der Depression seiner Frau umzugehen. Er vertuscht, so zu sagen, einen kühlen Kopf zu bewahren, während sein Leben und seine Ehe in den Trümmern liegen.

Hier ist der erste Moment der Begegnung mit dem Realen, mit dem fürchterlichen Gefühlschaos durch den Tod des Sohnes für das Ehepaar und hier zeigt sich auch, wie das Paar sich auf unterschiedliche, aber komplementäre Weise vom dem Realen, von der jouissance seiner Depression und Angst verschlingen lässt und wie die beiden ihr gemeinsames tragisches Ende Schritt für Schritt vorbreiten . Sie schaffen nicht von Depression zur Trauerarbeit zu gelangen, sondern sie regredieren auf unterschiedliche, aber komplementäre Weise zum triebhaften Verhalten und zum Körper der jouissance. Es ist aber falsch und einseitig, ihr tragisches Ende nur auf eine Unfähigkeit zur Trauerarbeit zurückzuführen, weil ihre Depression und ihre Angst selbst so eine zerstörerische Tiefe erreicht, die nur durch die Begegnung mit dem Realen, mit dem leeren, entsetzlichen Zentrum ihres Lebens möglich wäre. Wir sollen aber noch in der ersten Stufe verweilen und das Verhalten des Ehepaars genauer analysieren.

Das distanzierte, kühle Verhalten des Ehemanns ist in Wahrheit eine Abwehr der eigenen Trauer und Ängste. Der Ehemann , der selbst Psychologe ist, versucht unbewusst durch Abwehrmechanismen wie Projizierung eigener Gefühle auf seine Frau und Intellektualisierung, seinen eigenen Schmerz und seine Trauer und Angst zu verdrängen und diese Verdrängung breitet den Weg für die katastrophale Weiterentwicklung der Geschichte vor. Er setzt sich in einer Rivalität mit dem behandelnden Arzt seiner Frau und er will selbst ihr bei der Heilung ihrer Depression helfen, obwohl kein Therapeut eigene Bekannte therapiert.

Zweitens macht er den Fehler, dass er die akute, tiefe Depression ihrer Frau unterschätzt und sie mit einer Konfrontationstherapie behandeln und heilen will, obwohl jeder gute Therapeut in solcher Situation sowohl eine medikamentöse Therapie am Anfang für wichtig halten würde und dann mit einer tiefenfundierten Psychotherapie ihrer Depression begleiten und fortsetzen würde. Zuletzt könnte man ihre Phobien mit einer Konfrontationstherapie behandeln. So ähnlich würde eine integrative, vielschichtige Therapie der Depression vorgehen, aber er will die ersten zwei wichtigen Schritten überspringen und mit dem letzten Schritt anfangen.

Die Frage lautet nun, wieso will er die Depression und die Angst seiner Frau und schließlich unbewusst seine eigene, tiefe Depression und Angst so verharmlosen und auf ein paar Phobien reduzieren?

Die Antwort liegt nah. Er will unbewusst seinen Schmerz und seine Depression verdrängen, weil er Angst vor Ich-Verlust und vor Kontroll-Verlust hat. Er will die Kontrolle behalten, weil er durch seine Angst und seine Depression die Nähe der realen, dunklen Seite eigenes Begehrens und die Nähe des unbegreiflichen, aufbrechenden Chaos seines Lebens spürt und er will auf keinen Fall sich ihm stellen. Daher ist die Art der Begegnung des Mannes mit dem Realen, mit dem fürchterlichen Ding, die Methode der Wissenschaft. Er will das Ding, das pathologische Reale, das Chaos im Mitten seiner symbolischen Welt ausradieren, vollstopfen und daher müssen seine verdrängte Ängste und Begierden, die dunkle, Seite seines Begehrens, die nicht symbolisiert wurden, nun als „das Reale“, als tiefe, blinde Wut oder als Wahn zurückkehren.


Die Methode der Frau im Kontakt mit dem Realen, mit dem Ding, mit der dunklen Seite ihres Begehrens ist die Methode des Neurotikers. Sie ist zwar viel tapferer als ihr Mann, weil sie sich mit dem Realen und mit eigenem Begehren auseinandersetzt und gesetzt hat, wie wir später erfahren, aber sie unterliegt dennoch der jouissance ihrer Depression und Angst und regrediert immer mehr zu einem Körper der jouissance und zum triebhaften, sadomasochistischen Verhalten. Daher lässt sie sich auch zuerst auf das Experiment von ihrem Mann ein und setzt die Medikamente ab. Sie begibt sich zuerst in eine passive, feminine Haltung und versucht den Schmerz und die Depression auszuhalten und sich von ihrem Mann leiten zu lassen.

Was bedeutet aber die Depression und die Angst des Ehepaars, wenn sie nicht nur das logische Ergebnis eines traumatischen Kindesverlustes wären?

Die Depression zeigt wie Melancholie, dass das Ich oder das Subjekt von dem libidinös besetzten, verlorenen Objekt so überschattet ist, dass das Ich nicht zu sich zurückkehren kann und nicht mit der Trauerarbeit fortsetzen kann. Der Depressive Mensch und der Melancholiker sind von dem idealisierten verlorenen Objekt immer noch so verzaubert, dass es ihnen nicht übrig bleibt, als mit Selbstvorwürfen oder mit Selbstmordversuchen auf ihren eigenen Schmerz und Verlust zu reagieren.

Meiner Meinung nach muss man einen wichtigen Unterschied zwischen der Melancholie und der Depression machen. Der Melancholiker ist wie ein Liebhaber, der am Grab seiner gestorbenen oder verlorenen Liebe sitzt, weint, sich und anderen Vorwürfe macht und von ihr nicht loskommt, während die Zeit vorbei geht und er immer älter wird. Der Melancholiker ist der süß-saueren jouissance der Melancholie verfallen und wiederholt sie immer wieder.

Der Depressive hat mit dem Verlust der Liebe in Wahrheit das Begehren nach dem verlorenen Objekt klein a verloren und befindet sich vor dem Anblick der Leere und des Realen seines Begehrens. Der Depressive sucht das Objekt klein a und er glaubt unbewusst an das Phatasma der Wiedervereinigung mit dem verlorenen Objekt, mit der Mutter. Mit dem wirklichen oder phantastmatischen Verlust des liebesobjekts verliert der Depressive seinen Spiegel und nun starrt er in die unendliche Leere und Abwesenheit des verlorenen Objekts und verliert sein Begehren. Der Verlust und die leere verursachen in ihm außerdem widersprüchliche Gefühle, oder lassen ihm seine ambivalenten Gefühle der Trauer und Freude wegen Verlust des liebesobjekts bewußt werden und diese ambivalenten Gefühle rufen noch mehr Chaos und Leere in ihm hervor. Er spürt in sich und in dem Anderen ein Loch, das wie ein schwarzes Loch alles in sich hineinsaugt und sich immer mehr vergrößert. Sein Selbstmord, sein Tod ist also der Versuch, das Loch im Begehren, im Anderen, in seinem symbolischen Leben zu schließen, was am Ende unmöglich ist, weil dieses Loch zum Wesen des Begehrens gehört.

Der Depressive steht vor dem leeren Grab seines verlorenen Objekts und Begehrens und er wirft sich ins Grab hinein, um das Loch, das Grab zu füllen und somit durch den Tod mit der Mutter eins zu werden.

Lars von Trier, der selbst während der Aufnahme seines Films an einer tiefen Depression litt, schafft mit seiner Darbietung von Depression, dass wir die tiefe, vielschichtige und zuletzt teilweise unfassbare Grundlage der Depression besser zu begreifen. Wir sehen in seinem Film, dass er sogar die zwei Phasen der Depression, die erste Phase des Verlustes und der Trauer um Liebesobjekt, um den Sohn und die zweite Phase der Depression und die Begegnung mit dem realen Chaos, mit der furchterregenden Leere im Anderen voneinander trennt und nach einander zeigt. Die zweite Phase findet in dem „Garten Eden“ und im Wald statt. Mit dem neuen Aspekt der Beziehung, der sich im Garten „Eden“ und in der Natur aktualisiert, bringt uns die Depression zum Anderen, zum Ursprung unseres Begehrens und zeigt uns die zweite, furchterregende, leere Seite unseres Begehrens, die gleichzeitig uns anzieht und zu sich ruft, weil sie zu uns gehört, weil sie das Objekt klein a ist. Sie bringt uns zur Begegnung mit dem „Antichrist“, mit der jouissance und dem Realen, das sowohl die Grenze unseres Begehrens und als auch seine fundamentale Grundlage ist.



Die andere Frage lautet, wie steht es mit dem Gefühl der Angst und warum erweist sich der Versuch von dem Ehemann, die Angst in Phobie zu verwandeln, als einen Fehler mit katastrophalen Folgen. Um die Frage zu beantworten, müssen wir den Begriff „ Angst“ kurz erläutern.

Die klassische Unterscheidung zwischen Phobie mit einem Objekt und Angst ohne Objekt ist zwar hilfreich, aber beinhaltet dennoch einen Fehler. Angst hat auch ein Objekt, wie Lacan zeigt. Was ist überhaupt Angst?

Angst ist vor allem eine existenzielle, menschliche Eigenschaft. Wir haben keine Angst. Wir sind die Angst, wie Kierkegaard feststellte. Heidegger geht ein Stück weiter und zeigt: „Das Dasein ängstigt sich vor seinem eigenen In- der- Welt- sein- können. (8)

Freud beschreibt in seiner späteren Abhandlungen über Angst (Hemmung, Symptom und Angst.1926), die Angst als eine Funktion des Ich. Angst ist für Freud ein Signal, das das Ich warnt, wenn es das Aufkommen der gefährlichen Triebe spürt. Lacan geht in seiner Analyse der Angst ein wichtiges Stück weiter. Für Lacan hat Angst zwei Eigenschaften: „Angst ist, was nicht täuscht.“ „Angst ist nicht ohne Objekt.“

Um diese Axiome zu verstehen, müssen wir uns daran erinnern, dass unser Begehren sehr oft uns täuscht. Wir begehren etwas, aber dieses Objekt ist selbst ein begehrendes Subjekt und kann unser Begehren ablehnen, etwas anders wollen. Das Begehren ist vom Chaos umgeben und durchtränkt, aber unser Begehren täuscht uns und gibt uns ein Gefühl der Sicherheit und der Ähnlichkeit des Begehrens. In dem Moment, in dem der unterlegte Ähnlichkeitsbezug zum Anderen zusammenbricht oder droht, zusammenzubrechen, entsteht Angst, weil plötzlich im Anderen etwas erscheint, von dem ich nicht weiß, was es ist, was es von mir will, was unheimlich ist. Dieses Objekt der Angst ist Objekt klein a. Das Objekt a indiziert Angst. Jedes Mal, wenn die Sicherheit unseres Begehrens wackelt oder zusammenbricht, taucht Angst auf, weil sie die Nähe des Chaos spürt. Gleichzeitig zeigt die Angst, dass was aus dem Chaos herauskommt, was da ans Licht gezogen wird, ein Teil von mir selbst ist, etwas „Abgetrenntes“, ein Rest; etwas, das nicht assimiliert werden konnte (und nie ganz werden kann) und das mir als zugleich absolut Fremdes entgegensteht. Daher bezieht Angstsignal seine affektive Kraft von da, dass dieses etwas, eben dieses Objekt a, einmal ein Teil von mir selbst war, dass irgendwann abgetreten wurde und jetzt, wie auch immer verwandelt, wiederkehrt(9).

Angst taucht auf, wenn das Begehren im Spiegel verschwindet. Angst und Begehren sind also reziproke Erscheinungen, die beide an Objekt a aufgehängt sind und Auskunft darüber geben, wie es mit der „Sache“ (la Chose) steht. (10)

Das Begehren hat immer einen realen Überrest und auf der anderen Seite ist das Objekt der Begierde selbst ein begehrendes Subjekts. Diese zwei Dimensionen des Begehrens verursachen Angst, in Kombination oder einzeln. Zum Beispiel Der reale Überrest, der auf die Nähe von Chaos, von der Leere und von triebhafter jouissance hinweist, ruft eine Art Angst hervor, die sehr dem Gefühl der Panik oder des Schreckens von Gewaltopfer ähnelt, oder im Kino erleben wir diese Angst in der Panikreaktionen des Opfers von den unmöglichen, fremden, realen „Alien“ . Es ist dasselbe Gefühl, wenn die Teammitglieder der Station Solaris auf die unfassbare Kraft von dem fremden Planeten Solaris stoßen. Eine gefährliche Fremdheit, die doch irgendwie vertraut ist. Im „Antichrist“ haben wir mit dieser Angst und mit seiner körperlichen Formen zu tun, als die beiden Protagonisten sich im Wald befinden und aufeinander losgehen. Aus dieser realen Angst heraus, die schnell auch in mörderische Wut verwandeln kann, verstümmelt die Frau den Mann, bindet ein Schleifrad an seinem Bein, damit er nicht fliehen und sie nicht verlassen kann und schließlich ihn und sich kastriert. Aus diesem Gefühl heraus tötet der Mann seine Frau und verbrennt ihre Leiche und Lars von Trier lässt uns ganz nah an seinen und ihren Adern sein und seine und ihre reale Angst und Wut mitspüren.

Stufe 2:

Die zweite Stufe des Films beginnt mit dem Ausflug in den Wald, der „Eden“ heißt. Hier soll die Frau sich mit ihren Ängsten konfrontieren. Aber schon auf der Zugreise zum Wald hat der Zuschauer das Gefühl, dass das Schrecken jetzt zunimmt. Der Wald wird selbst zu einem bedrohlichen, bedrückenden realen Objekt, das andererseits eine unmögliche jouissance von tiefen Frieden verspricht. Die bedrohliche Seite der Natur hat viele Gestalten, wie die Eicheln, die unaufhörlich nachts auf die Hütte prasseln und wie die Frau sagt, ständig sterben. Die unmögliche jouissance der Natur zeigt sich in den Vorstellungen der Frau, in der sie sich auf das Gras hinlegt und in Frieden stirbt und zum Gras wird. Oder sie zeigen sich in der sadomasochistischen Sexualität, die mit dem Ankommen in der Hütte enorm zunimmt. Hier zeigt sich, wie die Frau und letztendlich der Mann durch die Begegnung mit dem Realen, mit dem Chaos und mit dem Leeren Zentrum ihres Begehrens immer mehr regredieren und der männlichen und der weiblichen jouissance bis zum sexuellen Exzess verfallen. Um diese reale Begegnung und die reale Angst und Depression besser mitzuspüren, verzichtet der Film im zweiten Teil auf Musik, setzt auf die Geräusche im Wald und die Kamera schwenkt zwischen Protagonisten und im Wald.

Aber wessen Blick vertritt die Kamera, als das Ehepaar in die bedrohlichen, mit jouissance besetzten Wald ankommt. Man könnte meinen, das wäre der Blick der Frau, aber ich glaube, dass der Blick der Kamera sowohl der Blick der Frau und als auch der Blick des Regisseurs vertritt, der selbst unter Depression während der Aufnahme litt. Er ließ die Protagonisten in seine realen, dunklen depressiven Vorstellungen und Ängste eintauchen.

Zuletzt vertritt die Kamera in manchen Szenen , wie die Szene in der der Blick der Kamera den Mann auf den Platz des Fuchses aufmerksam macht, einen realen, beängstigenden Blick, der keinem bestimmten Subjekt zugeordnet werden kann. Er ist der Blick des Objekts klein a, oder dieser präsubjektive Blick ist das, was Deleuze als Kino-Auge bezeichnet (11).

Die Natur und ihre Elemente verkörpern das Reale, das Dunkle, und das Chaos des menschlichen Begehrens. Ihre jouissance und ihre Kräfte werden hier als das beängstigende, unfassbare Urmotiv und als die Hauptadern des menschlichen Begehrens und des Objekts klein a dargestellt. Hier wird wie in den späten Werken von Lacan die jouissance als „Sinthom“ und als letzte Stütze des menschlichen Begehrens dargestellt. Dieser Umgang mit der Natur kann man in dem Satz des Fuchses wiedererkennen, dass das Chaos die Welt regiert, oder in den drei Boten des Todes. Das Bild des Lebensbaum, der in den nackten Toten verwurzelt ist, lässt die Protagonisten und die Zuschauer mit der dunklen Seite ihrer Begierden, mit dem inne wohnenden Loch und Chaos in ihrer symbolischen Welt eine direktere Bekanntschaft zu machen, Angst und jouissance mitspüren.

Stufe 3:

Durch die Begegnung mit dem Realen ist das Ehepaar gezwungen, sich ihren eigenen, dunklen Begierden und Ängsten zu stellen. Nun findet der Mann heraus, dass seine Frau schon früher ihren gemeinsamen Sohn misshandelt hatte und die Frau offenbart ihm, dass sie durch die Begegnung mit der realen Natur, mit dem realen Eden auch besser das Böse verstehen würde und sie wüsste, wie böse Frauen sein können. Der Mann kann und will nicht glauben, dass seine moderne Frau zu einer mystischen, primitiven Gut-Bösevorstellung bekehrt ist und will mit einer vernünftigen Diskussion wieder die Wiederkehr des verdrängten und das Reale in seinem und ihrem Begehrens verdrängen, aber diesmal klappt es nicht und die Tragödie nimmt zu.

Die Regression der Frau zu einer primitiven Vorstellung hat zwei Seiten. Es zeigt einerseits, dass sie durch die Begegnung mit der realen Seite ihres Begehrens geschafft hat, sich von den normalen Klitsches, wie von „zärtlichen Frauen- bösen Männern“ zu befreien und sie hat begriffen, dass die Metabegriffe wie „ Frau“, Mann“, Natur“ nicht nur eine symbolische, sprachliche Dimension haben, sondern auch eine reale, unaussprechliche Dimension haben und daher kann man niemals genau wissen und beschreiben, was Mann oder Frau ist.

In der symbolischen Ordnung und in der Sprache fungiert der Phallus als „Knotenpunkt“ zwischen dem Signifikanten „ Frau oder Mann“ und dem Signifikat“ Vorstellung und das Bild von Frau“ und daher werden die beiden nie eins werden und es gibt immer eine Differenz zwischen beiden, ein Überschuss des Signifikanten über das Signifikat, das immer wieder zur neuen Bedeutung und Perspektiven der Begriffen „Frau oder Mann“ führt (12); oder eine neue symbolische Interpretation von der Geschlechterdifferenz, von dem weiblichen „Phallus sein“ und von dem männlichen „ Phallus haben“ hervorbringt. Aber jeder Begriff, jeder Mann oder jede Frau hat auch eine reale Dimension, die nicht nur ihre dunklen Seiten und ihre jouissance hervorbringt, sondern sie teilweise unfassbar macht und sich einer Symbolisierung widersetzt. Eine reale Dimension, die die letzte Stützte menschlicher Freiheit ist.


Die Frau wagt, durch ihre Hingabe zu ihren Ängsten oder Depressionen, zu ihrer Freiheit und zu ihrem vielschichtigen Begehren näher zu kommen, als ihr Mann, der sich weigert, das Reale, das Chaos, das Unfassbare seines Begehrens zu akzeptieren und zu fühlen. Die Art ihrer Begegnung mit dem Realen ist aber vor allem die Art eines Neurotikers und daher regrediert die Frau immer mehr zum Körper der jouissace und verfällt der realen jouissance. Daher will sie einerseits immer mehr körperlich genießen, aber anderseits will sie dieses körperliche Genießen mit der Gewalt verbinden und verfällt ihrer jouissance.

Die jouissance kann als „phallische jouissance“ oder als „ jouissance des Anderen“ auftauchen(13). Die phallische jouissance ist mehr eine männliche jouissance, wobei die Männer durch den sexuellen Akt das absolute Objekt erreichen wollen und die Frau als Gesamtperson nicht wahrnehmen. In der jouissance des Anderen, oder in der weiblichen jouissance will die Frau die Masken des Anderen Fallen lassen und die Wahrheit des Anderen sehen, um mit ihm eins zu werden. Daher kann man eigentlich die jouissance des Anderen nicht symbolisch klären, weil sie mehr wie ein Rausch, Ekstase und Erfahrung ist, die man nicht beschreiben kann. Natürlich führen beide jouissance zur triebhaften, realen Wiederholung, weil der Andere auch gespalten ist und nie ganz zu besetzen ist; oder man kann nie seine wahre Bedeutung erreichen oder spüren, weil sie keine wahre Bedeutung und kein „Essence“ besitzt.

Lacan beschreibt in seinem Seminar „Encor“ dass die Frauen zuerst die beiden jouissance erleben, dann aber mehr zur jouissance des Anderen übergehen. (14)

In dem Film „Antichrist“ sehen wir bei der Frau dieselbe Logik der jouissance in seiner realen und traumatischen Form. Sie versucht zuerst mit Sex, mit sadomasochistischen Sex den Anderen oder ihr eigenes Begehren zu fühlen und ihre Ruhe zu erreichen und dann übergeht sie immer mehr zur jouissance des Anderen, wo sie sich vor dem Baum hinlegt, sich befriedigt und ihren Mann zu ihrem Sexobjekt und Peiniger macht, aber ihr Blick geht durch den Mann und starrt den Anderen an, die Natur an, die für sie der wahre Andere, die „Satans Kirche“ ist. sie glaubt, dass sie durch die Begegnung mit der realen Natur die Wahrheit des Anderen und sein wahres Gesicht gefunden zu haben.

In ihrer sadomasochistischen Haltung verkörpert sich auch ihre Schuldgefühle und ihre Autoaggression, weil sie glaubt, dass sie wegen dem Sex den Tod ihres Sohnes nicht verhindert hätte. Somit beinhaltet der Sex für sie einen Versuch, sich mit dem Anderen in Verbindung zu setzen und gleichzeitig muss sie sich wegen ihren Begierden bestrafen und daher muss der Sex immer obsessiver und gewalttätiger werden. Zuletzt kastriert sie ihren Mann und sich selbst und provoziert solange ihren Mann, bis er sie tötet. Somit inszeniert sie den eigenen Selbstmord Mithilfe ihres Mannes.

Der Mann versucht durch Verdrängung eigener Gefühle, durch das Negieren des Realen und des Traumas seine Ich-Kontrolle über sich und seine Beziehung zu gewähren, aber Da er seine Begierden in seine symbolischen Welt nicht annimmt und integriert, müssen nun seine Gefühle und jouissance als das Reale, als realen Wahn zurückkommen, wie Lacan diesen Prozess beim Psychotiker beschreibt. (15) Seine jouissance und Begierden müssen nun als reale Wut und realen Wahn zurückkommen, und ihn zur Ermordung der Frau verleiten.

Stufe 4

Was bedeutet aber die mystische Seite des Films, die sich in Figuren von drei Bettlern und im Begriff von Antichrist verdeutlicht?

Ich glaube dieser Filmaspekt hat folgende Funktionen in der symbolischen Ordnung des Films:

1- Er verkörpert die unfassbare, uninterpertierbare Seite der Erzählung und der Depression. Er ist das Sinthom der Depression und der Geschichte, das sich nicht ganz interpretieren lässt oder jedes Phänomen zum Treffpunkt der verschiedenen Signifikantenprozesse macht. Die drei Bettler und die mystische Elemente verkörpern hier sowohl die Vielschichtigkeit jedes Prozesses, als auch die unfassbare Seite jedes Phänomen wie Depression. Auf der anderen Seite sind sie Signifikanten, die auf einen anderen Signifikanten hinweisen. Für den rationalen Mensch ist seine Mythen und seine Wiederkehr eine Form der Wiederkehr des Verdrängten und ihres Begehrens.

2- Der Film stellt uns den Garten Eden, die Natur in ihrer bedrohlichen, genießenden realen Form dar. Diese Darstellung verkörpert die dunkle Seite des Begehrens, das der Mensch gerne verdrängt oder mit Antidepressiva, mit Viagra ungefährlich machen will oder verharmlosen will. Der Antichrist von Lars von Trier ist ein genießender, realer Antichrist, der die dunkle Seite unseres Begehrens und schließlich das Objekt klein a verkörpert.

3. Der Regisseur zeigt uns mit seinem Film, wie der moderne, rationale Mensch, der glaubt, ihre Welt entzaubert und entmythologisiert zu haben, immer noch unter ihrer unbekannten, unbegreiflichen Macht steht und wie er immer wieder zum Anderen wird, den er verdrängt hat oder für primitiv hält. Ähnlich zeigt er in seinem anderen Film "Dogville" unter anderem, wie der moralische Mensch und der moralische Schriftsteller die Frau vergewaltigt, die bei ihnen Zuflucht sucht. Oder In dem Film“ Manderlay“ zeigt er unter anderem, dass die Menschen, die die Sklaverei in der Stadt Manderlay abschaffen wollten, müssen die Sklaverei wieder einführen, um die Ordnung und ihr Überleben zu ermöglichen.

4- Schließlich sehen wir im Film die Interpretation des Regisseurs über die Dichotomie Antichrist-Christ, Über die moderne Dichotomie von Mann und Frau, von Körper und Seele und über moderne Metaphysik, in der zuletzt die Seele, die Vernunft über Körper und Gefühle regieren muss. Der moderne Mensche ist vor allem ein Subjekt des Begehrens statt ein begehrendes Subjekt zu sein, Er will Herr über seine Begierde sein, Das ist die Grundlage des modernen Diskurses. Foucault beschreibt in seinen Büchern „ Sexualität und Wahrheit“ die Transformation des begehrenden Subjektes der Antike zum Subjekt des Begehrens der Moderne. In dem Film „Antichrist“ sehen wir, was der Preis für die Herrschaft der Vernunft über Begierden und Natur ist. Entweder regrediert die Frau, der Körper immer wieder zum Körper der jouissance, oder der Mann, der seine Begierden in seine symbolische Welt nicht integrieren will oder kann, und seine jouissance oder Begierden verdrängen will, muss den Preis für diesen fatalen Abwehr mit der Verstümmelung eigenes Körpers oder Begehrens bezahlen. Auf der anderen Seite kehrt die nicht symbolisierte Begierde als das Reale, als reale, zerstörerische Wut, Paranoia und Wahn zurück und bringt ihn dazu, sich in Hexenjagd oder Krieg zu begeben und seine Geschichte aufs Neue zu wiederholen. Daher sehen wir am Ende, wie der Mann nach dem Mord seiner Frau und nach der Wiederholung der Hexenjagd, nach dem Tod des Antichrists als verstümmelter, kastrierter, hinkender Christ und Mann zurückkehrt, weil seine jouissance (der Antichrist ) sein Wesen und die Kraft seines Begehrens ist, die er immer wieder in seiner symbolischen Welt aufnehmen und integrieren muss, ohne den Wahn zu haben, dieses Reale oder sein Begehren ganz zu verstehen oder zu begreifen.

Der Mann, der Christ erreicht in dem Film "Antichrist" seine Erlösung durch seine eigene Verstümmelung und durch Verlust seiner Liebe und Begierde, und am Ende muss er einsehen, dass seine Krise immer wieder zurückkommt und sein Begehren immer wieder sich bei ihm melden, in Gestalt der Wiederkehr des Verdrängten und in Gestalt der gesichtlosen Frauen, die auf ihn zugehen.

Die Inszenierung des Films

Jetzt können wir uns dem Ausgangspunkt und dem Schlusspunkt des Films, dem Prolog und dem Epilog des Films widmen. Der Anfang und das Ende werden schwarz-weiß und in Zeitlupe gedreht und mit einer Arie aus einer Oper unterlegt. Im Prolog und im Epilog des Films treffen wie auf eine höchst künstlerische Begegnung mit dem Realen. Hier wird die Begegnung mit dem Realen zu einer ästhetischen, vielschichtigen Begegnung erhoben. Daher verwandeln sich sogar die direkte, fast pornographische Darstellung der Sexszene zwischen dem Ehepaar und die Darbietung vom Tod des Sohnes, zu einer vielschichtigen, Gefühlskomplexen, unheimlichen Begegnung mit dem Realen und mit unserem Begehren. Die Musik, die langsame Bewegung der Schwarz-Weißbilder machen den Moment hochgradig spannend und vielschichtig. Wir sehen, wie der Sohn seine Puppe (das Übergangsobjekt) schlägt, und nach dem er die Eltern im Bett betrachtet, dreht er sich langsam um, als ob er eine Stimme gehört hätte und dann springt er mit seiner Puppe in den Armen dieses unbekannten Anderen, in den Tod.

Erst später, im zweiten Teil des Films erfahren wir, dass der Sohn durch ihre Mutter misshandelt wurde und seine defekte Puppe unter anderem diese Misshandlung verkörpert. Außerdem wissen wir später, dass der Sohn sich im Wald immer mehr von seiner Mutter distanziert hatte und sich der Natur, der imaginären- realen Mutter zugewandet hatte. Oder später sehen wir aus dem Blickwinkel der Frau, dass der Bote des Todes, das Reh“ im Haus anwesend ist, als ihr Sohn den Stuhl hinaufstiegt und sich mit seiner Puppe zusammen in den Tod wirft.

Genauso ist die Schlussszene vielschichtig und ähnlich der Musik, die von der Erlösung eines verliebten christlichen Paar aus der Gefangenschaft des Barbaren erzählt, sehen wir die Erlösung des Mannes. Eine Erlösung, für die der Mann aber einen hohen Preis bezahlen müsste. Hier ist der Christ verstümmelt, kastriert, und Mörder weil er die dunkle Seite seines Begehrens, das Reale seines Lebens nicht akzeptieren wollte. Daher muss er auch mit ständiger Wiederkehr des Verdrängten rechnen. Die künstlerische Erhebung des Dings zu einem erhabenen Moment macht diese Szenen zu einer Einheit der Gegensätze, zu einer tragischen Erlösung und einer Vielschichtige Darstellung des Realen und des Objekts klein a.


Schlusswort

Lars von Trier zeigt einerseits mit seinem Film "Antichrist" das Problem der Depression in der modernen Gesellschaft. Der neue Vorfall von Nationaltorwart "Robert Enke" zeigt, wie aktuell dieses Thema ist. Auf der anderen Seite zeigt er uns, wie vielschichtig die Depression und das menschliche Begehren sind und er erschafft eine Begegnung mit der unfassbaren Seite des Lebens und des menschlichen Begehrens. Daher lässt sich der Film auch nicht ganz oder einseitig interpretieren.

Das Problem des Films liegt in der Unfähigkeit, sich neue Möglichkeiten im Kontakt mit dem Realen und mit der Depression zu erschaffen. Der Film „Antichrist“ zeigt und stellt das Reale als wichtiger Bestandteil unseres Lebens und Begehrens dar, aber sie schafft nicht, die reale Grenze hinter sich zu lassen und sich ins jenseits der Kastration, in jenseits der modernen Dichotomie von „Körper/Seele“, Körper der jouissance/ symbolischer Körper und symbolische Begierde“ zu begeben, wie der Film „Solaris“ versucht.

Der Film "Antichrist" bleibt an der Grenze der modernen Metaphysik und stellt deren Problematik und tragische Folgen dar, aber er schafft nicht über die Grenze hinauszugehen und neue Perspektive über Depression oder eine neue künstliche Multiperspektivische Realität der Themen Depression, Angst, des Realen zu kreieren. Deswegen können auch die wichtigen Momente des Films, wie die Sexszene unter dem Lebensbaum, nicht die dualistische Vorstellung überwinden und sie können sich nicht in einen deleuzianischen „herausgehobenen Moment„ mit vielen „Zwischenräumen“ und mit vielen Interpretationsmöglichkeiten zu verwandeln. Daher unterliegt der Film einen Wiederholungszwang des Realen. Sein Ende ist die Ruhephase des depressiven Patienten vor dem nächsten Sturm der depressiven Stimmung.

Aber um die Schwäche der Inszenierung und der Erzählung des Films zu analysieren und um die beiden Filme miteinander vergleichen zu können, benötigen wir die Hilfe von Deleuze und seiner Filmtheorie. Außerdem müssen wir den Film einer intertextuellen Analyse unterziehen, um die benutzen, mystischen Texte und die Art ihrer intertextuellen Verwendung in beiden Filmen besser analysieren zu können. Der Letzte Teil dieser Analyse wird sich kurz dieser aufgaben widmen.

Literatur:
1-4- 6-Zizek: Liebe Dein Symptom wie Dich selbst!. S. 11.108. 53
2- Zizek: Lacan in Hollywood.S.68
3- Freud: Trauer und Melancholie. Studienausgabe. III. S. 203
5-8-11-12- Zizek: Köperlose Organe. S. 204-205. 13-17. 210. 128
7- Lacan: Das freudsche Ding. S. 53
8-9-10: http://www.textem.de/417.0.html
13-14-15, Grundlage von Psychoanalyse Freud- Lacan. Dr. Movallali. In persischer Sprache. S. 320. 275